Tag 3 – 13. Juni 2016
Wieder eine ruhige Nacht gehabt bis wir Morgens gegen 07:00 von Flugzeugen im Minutentakt geweckt wurden. Der heutige Tag sollte es in sich haben, gemäss Beschreibung standen die zwei gefährlichsten Stellen der Tour auf dem Program, die Autobahnbrücke A4 bei der schon Einige nicht heil durchgekommen sind und der als “lebensgefährlich” klassifizierte Kanal bei der Ponte di Buffalora.
Wir wussten, dass die Behelfsbrücke verschwunden ist und die Durchfahrt nicht mehr so kritisch sein soll und dass der Damm im Kanal weggespült wurde. Beides hat zugetroffen wie man auf dem untenstehenden Video sieht, verglichen mit der Vorstellung die wir hatten war die Situation vorort ein Klacks.
Video der Durchfahrt unter der A4 Autobahnbrücke und durch den Canale Nuovo
Dabei möchten wir ausdrücklich nochmals darauf hinweisen, dass wir hier unterwegs waren bei einem Abfluss am Lago Maggiore jenseits von 400m3/s. Bei weniger Wasser dürfte zumindest fraglich sein, ob man über den weggespülten Damm im Kanal drüber kommt, es war bei uns schon sehr knapp.
Landschaftlich waren wir jetzt in einem der schönsten Teile der Tour angekommen, der Ticino schlängelt sich hier flott und breit an zahlreichen Insel und Kiesbänke vorbei die übersäht waren mit Vögel. Das hat uns das Finden eines geeigneten Rastplatzes etwas erschwert, da wir die Tiere nicht stören wollten (und selbst auch nicht gestört werden wollten durch geschnatter und Vogelkot). Erschöpft und nach mehreren Besichtigungen haben wir dann endlich einen Platz gefunden der uns ideal erschien. Das einzige Problem hierbei war, dass es keine Bäume gab und somit auch keinen Schatten. Also bestand unsere erste Mission daraus, einen Unterstand mit unserer Plane zu schaffen, Holz gabs ja genug.
Ebenso wurden wir das erste Mal auf der Tour so richtig von Mücken geplagt, so dass mein Kopf Moskitonetz zum Einsatz kam. Dieses hat sich sehr bewährt, es ist schon unglaublich befreiend wenn man sich nicht ständig irgendwelche Viecher aus dem Gesicht wischen muss.
Dann passierte etwas sehr unerwartetes, Dirk meldete dass es im schlecht sei und dass er sich hinlegt. Zwischendurch ist er mal aufgestanden und hat vermutlich die Fische von Gestern nochmals gesehen, so dass wir schon gezweifelt hatten, ob unser Filter das Wasser wirklich gut genug reinigt. Ein Glück war es wahrscheinlich doch nur die Anstrengung und die Hitze, er hat sich danach wieder hingelegt und ist am nächsten Morgen nach sage und schreibe 14h(!) Schlaf fit und munter aufgewacht.
Mir ging es soweit gut und so habe ich den Abend allein mit Nudeln mit Pilzen in Bratensauce am Lagerfeuer verbracht, zusammen mit der Musik von Katatonia und der Natur um uns herum ein beeindruckendes Erlebnis. Der Sound hat perfekt gepasst, zumal immer mehr Wolken aufkamen und sich die ganze Stimmung verdüsterte.
Der Sound hat perfekt zur Abendstimmung gepasst
Was nur noch gefehlt hat war ein Glas Wein oder Whisky, beides leider nicht mehr vorrätig was sich als besonders blöd herausstellen sollte. Denn um uns herum zogen immer höhere Wolkentürme auf und der Wetterbericht hat Gewitter vorhergesagt.
Blöd nur waren wir auf einer grossen Kiesbank im Umkreis von 300m die einzige Erhöhung, eine Woche davor wurde grad ein Festival wegen diversen Blitzeinschlägen in Zelte abgesagt. Allein mit meinen Gedanken und ohne Alkohol um mich einzulullen blieb mir dann nur ein Buch zu lesen und die Sekunden zwischen Blitz und Donner zu zählen. Anfangs war der Donner noch gar nicht zu hören, später näherte er sich an die 9 Sekunden heran. Bei 3 Sekunden hätte ich Dirk aus dem Zelt gerissen und wir wären in den einzigen Graben 30m weiter gesprungen, das war zumindest der Plan.
Es hat auch nicht geholfen, dass das einzige Buch was ich dabei hatte, “The Big Picture” von Sean Carroll war. Nachdem er mir erklärt hatte, dass das Universum nur das Resultat einer kollabierenden quantenfeldtheoretischen Wellenfunktion ist, begann das nächste Kapitel mit dem Titel “there is no life after death”, gefolgt von “There is no soul”.
Dabei war ich so bereit wie selten in meinem Leben kurzfristig religiös zu werden. Also wiederholte ich ständig in meinem Kopf “es ist alles nur eine Wellenfunktion, nur eine Wellenfunktion…” bis ich irgendwann gegen 02:00 trotz Gewitter eingeschlafen und heil am nächsten Tag aufgewacht bin.